Evang.-Luth. Kirchengemeinde Elsen

Fürchtet Euch nicht

Meine kleine Tochter – zu diesem Zeitpunkt stolze sechs Jahre alt -  muss zur Zahnärztin. Ein Milchzahn soll gezogen werden. Ganz großes Drama schon am Mittagstisch. „Das tut bestimmt ganz weh.“ - „Du bekommst doch eine Betäubung.“ - „Nein, ich will keine Betäubung.“ - „Es geht doch ganz schnell.“ - „Es soll nicht schnell gehen. Es soll gar nicht gehen. Ich gehe nicht hin.“ - „Dann wächst der neue Zahn schief.“ - „Ich will keinen schiefen Zahn.“ - „Na also“, dann müssen wir doch zur Ärztin.“ - „Will aber trotzdem nicht.“
Nach dem Mittagessen wird es noch dramatischer: die Autofahrt zur Ärztin. An jeder Ecke: „Nein, nicht da abbiegen, anders rum. - Wir müssen anhalten, mir geht's nicht gut. - Wir müssen zurück, ich habe mein Stofftier vergessen.“
Aber Mama bleibt hart, und endlich sind wir da. Eine Treppe hinauf, durch die Glastür, zur freundlichen Arz­thelferin. Auch die sieht sofort, dass nicht alles im Lot ist. „Oh, was hat die Kleine denn?“
Die Kleine ist nicht begeistert. Mit Ach und Krach geht es auf den Stuhl, aber dann: Stillstand. Schon für den Vereisungsspray wird der Mund einfach nicht aufgemacht. Ärztin, Arzthelferin und Mutter reden mit Engelszungen auf die Patientin ein. Versprechungen, Er­klä­rungen, Beschwichtigungen ... Drei Frauen in Not. Und die vierte kleine Frau in äußerster Not. Endlich öffnet sich der Mund. Die Zahnärztin ist schnell. Vereisung. Zange. Klacks. Ach was Klacks, ein Miniklacks ist das nur! Zahn hat verloren, Drama ist vorbei. Es gibt einen Zahn-Comic zur Belohnung und alles ist wieder gut. Auf der Rückfahrt gibt es keine Spur mehr von Erinnerung an die Panik der Hinfahrt.
Na ja, Kinder! Oder?!
Ich glaube, auch für uns Erwachsene gibt es viele „Zahnärzte“. Große dra­ma­tische Befürchtungen, was alles sein könnte und müsste und würde. Große Ängste vor der Zukunft, große Besorg­nis, wie es wird mit der ungewöhnlich langen Regierungsbildung in unserem Land, große Fragen, was passiert, wenn wir krank und hilflos werden. Für Gott sehen wir bestimmt oft aus wie Kinder, die nicht zum Zahnarzt wollen.
Sehr oft wird in der Bibel der Satz gesagt: „Fürchtet euch nicht!“
Zentral ist dieser Satz auch bei dem großen christlichen Fest, das wir im April wieder begehen, beim Osterfest. „Fürchtet euch nicht“, so wird es den Frauen am leeren Grab in der Oster­geschichte vom Engel gesagt. „Fürchtet euch nicht“, das ist Gottes große Botschaft an uns.
Fürchtet euch nicht. Malt euch doch nicht aus, wie schlimm alles werden könnte. Habt Vertrauen. Sich das Schlimmste vorstellen, das ist einfach. Vertrauen ist viel schwerer. Die Bibel macht uns Mut, die negativen Phanta­sien gegen Vertrauen einzutauschen, Vertrauen zu dem Gott, der uns erschaffen hat.
In diesem Vertrauen brauchen wir nicht durch Furcht alles schlimmer werden zu lassen, sondern können zuver-sichtlich das erwarten, was kommt.
Danke, dass wir das zusammen lernen konnten, kleine Tochter.