Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Elsen

„Zachäus, steig herunter! Ich muss heute bei dir zu Gast sein.“ (Lk 19,5b)

Überraschungen warten an allen Straßen­ecken, in Sockenschubladen und bei jeder Person, der ich am Tag begegne. Natürlich war es klar, dass ich solche Überraschungen auch und besonders in biblischen Texten erwarten kann. Aber der Reihe nach:
Für die meisten Menschen ist die Zachäusgeschichte eine der bekannteren aus dem Neuen Testament. Die Hand­lung ist nachvollziehbar: Jesus kommt nach Jericho, eine größere Stadt. Dort versammelt sich wie immer eine Menge an Neugierigen, Verzweifelten und Skep­tikern um ihn. Auch der kleine Zöllner Zachäus, der berüchtigt und dement­spre­chend unbeliebt ist für seine Selbstberei­che­rung, die er über Schmiergelder ein­fährt. Niemand lässt ihn deshalb durch, so dass er Jesus nicht sehen kann. Also klettert er auf einen nahen Baum. Damit sieht natürlich nicht nur er selbst besser, sondern alle anderen können ihn auch sehen.
Und dann kommt der Satz, der mich lange beschäftigt hat, obwohl ich die Geschichte seit meiner Zeit im Kinder­gottesdienst bestens kenne: Jesus be­merkt ihn also und ruft: „Ich muss heute bei dir zu Gast sein!“
Manchmal ist es nur ein einziges Wort, das mich so richtig erfasst. Dass mir eine ganze Dimension eröffnet, zum Umden­ken anregt oder eine ganze Geschichte in einem neuen Licht erscheinen lässt. Das kann in einem Gespräch manchmal schlechte Auswirkungen haben, wenn ein schlecht gewähltes oder abfälliges Wort fällt und damit alles andere prägt. Das kann aber auch etwas sein, was ganz unscheinbar daherkommt und durch eine kleine sprachliche Tür eine ganz neue Welt wunderbarer Gedanken und Emotionen dahinter eröffnet.
Hier ist das so. Denn Jesus sagt: „muss!“ Er bittet nicht, er lässt sich nicht einladen. Jesus sagt: Es geht nicht anders!
Damit ändert sich alles. Wo vorher Zachäus noch der üble korrupte Beamte gewesen ist, sieht Jesus in ihm den eigentlich armen, einsamen Mann, unter dem die anderen leiden, der auch unter sich selbst leidet und es vielleicht gar nicht bemerkt. Er ist ein Mann, der so sehr Erfüllung im Finanziellen sucht, dass er alle anderen um sich herum nur aus­nutzt. Er hat sich verlaufen, weil er nicht sieht, dass diese Richtung in die Ein­samkeit führt – und in die Ableh­nung. Was nützt ihm denn sein Geld, wenn er an jeder Straßenecke nur kalte Schultern und üble Blicke gezeigt bekommt? Das Geschehen um Jesus zeigt: Wenn es wirklich darauf ankommt, ist er außen vor! Und da hilft auch kein Geld mehr. Am Ende leiden ausnahms­los alle darunter, was Zachäus da am Stadttor tut.
Dieses eine Wort „muss“ macht die Bri­sanz der Lage erst deutlich und bietet Jesus die Möglichkeit, daran etwas zu ändern. Er schafft es, Zachäus und die Menschen in Jericho mit einer gemein­samen Zukunft zu versorgen. Das ist eben die Weisheit Gottes.
Ihnen und euch wünsche ich, dass wir davon noch viel mehr entdecken – vielleicht ja auch unerwartet in der Sockenschublade.

Herzliche Grüße!

Felix Klemme